Das Tierwohl im Mittelpunkt

Doch wie nachhaltig ist die Fleischproduktion?

In Sachen Tierwohl und artgerechter Haltung bewegt sich einiges. Die Verbraucher sind kritischer geworden und wollen keine Fleischprodukte mehr aus Tierquälerei. Laut einer aktuellen, repräsentativen forsa-Umfrage, von der Initiative Tierwohl in Auftrag gegeben, wollen 93 Prozent der Konsumenten, dass in der Nutztierhaltung und Fleischproduktion mehr Wert auf das Wohl der Tiere gelegt werde. Doch werden die bisherigen Maßnahmen sowie der Umfang der Umsetzung, eine artgerechte Tierhaltung flächendeckend zu erreichen, von Verbraucherschützern oft als unzureichend beschrieben. Die Initiative Tierwohl, der sich mittlerweile über 6.000 landwirtschaftliche Betriebe angeschlossen haben, verfolgen das Ziel, die Nutztierhaltung Schritt für Schritt tiergerechter zu machen. Es handelt sich hierbei um eine Initiative des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft.

Zu den Maßnahmen der Initiative Tierwohl gehören, dass die Schweinehalter "ihren Tieren jetzt verpflichtend zehn Prozent mehr Platz und zusätzliches organisches Beschäftigungsmaterial bieten" (Spielmaterial aus Naturfasern wie Sisal, Baumwolle oder Hanf, sowie Heu, Stroh und Weichholz, Seile, die von den Tieren gerne angenommen und auch zur gemeinsamen Beschäftigung genutzt werden), teilte die Initiative Tierwohl mit. Die Geflügelhalter "müssen nun zusätzlich Stallklima- und Tränkewasserchecks umsezten."Insgesamt umfassen diese Maßnahmen bislang 518 Millionen Tiere. Die Initiative Tierwohl unterstützt, nach eigenen Angaben, Landwirte in einer Höhe von 130 Millionen Euro finanziell dabei, auch über die gesetzlichen Standards hinausgehend, Maßnahmen zum Wohl ihrer Nutztiere umzusetzen. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird durch die Initiative Tierwohl flächendeckend kontrolliert. Dazu wurden bislang über 13.000 Kontrollen durchgefürht. 270 Betriebe bestanden die Überprüfung nicht und wurden daraufhin aus der Inintiative ausgeschlossen. Außerdem sind auch Beratungs- und Weiterbildungsmaßnahmen für mehr Tierwohl für die teilnehmenden Landwirte geplant.

Kritik von Verbraucherschützern

"Wir haben viel Kritik bekommen, nehmen die Kritik aber auch ernst", sagte Dr. Akexander Hinrichs, Geschäftsführer der Initiative Tierwohl bei der Vorstellung. Kritisiert wurde insbesondere, dass die Anforderungen nicht hoch genug seien. "Tierhalter müssen aber auch in der Lage sein, die Maßnahmen umzusetzen", sagte Geschäftsführer Hinrichs. Deshalb gehen die Verbesserungen in Sachen Tierwohl auch nur Schritt für Schritt voran. Zumindest ist eine flächedeckende Labelung geplant. Ab April 2018 gibt es erstmals ein Produktsiegel, anhand dessen die Verbraucher in den Geschäften des teilnehmenden Einzelhandels unverarbeitetes Geflügelfleisch aus Tierwohl-Betrieben erkennen können.

Massive Kritik an den Maßnahmen der Initiative Tierwohl kommt von der Verbraucherorganisation foodwatch: Die Initiative Tierwohl, an der sich vor allem die großen Handelskonzerne beteiligen, bezeichnete der Internationale Kampagnendirektor von foodwatch, Matthias Wolfschmidt, als „schlechten PR-Gag“, mit dem die Unternehmen von ihrer Verantwortung für die inakzeptablen Lebensbedingungen der Nutztiere ablenken wollten. Mit vorwiegend kosmetischen Maßnahmen könnten die Lebensbedingungen für die Tiere nicht substantiell verbessert werden. Den Bäuerinnen und Bauern werde nicht annähernd genügend Geld ausgezahlt, um eine nachweislich tiergerechte Haltung zu erreichen. Stattdessen werde den Verbraucherinnen und Verbrauchern vorgemacht, die Produkte aus den Supermärkten entstammten einer tiergerechten Haltung.

Massive Gesundheitsprobleme

„Angesichts massenhafter Erkrankungen, Schmerzen und Leiden kann von akzeptablem Tierschutz in Deutschlands Ställen keine Rede sein. Die Debatte um Tierhaltung kreist fast nur um formale Haltungsbedingungen wie etwa Platzbedarf oder Ausgestaltung der Ställe – obwohl wissenschaftlich längst erwiesen ist, dass die Tiergesundheit nicht allein von der Haltungsform beeinflusst wird, sondern entscheidend auch vom Stallmanagement. Es gibt auf manchen Höfen massive Gesundheitsprobleme und auf anderen so gut wie keine – und zwar unabhängig von der Haltungsform oder der Betriebsgröße“, so Matthias Wolfschmidt.

Viele Nutztiere litten unter schweren, vermeidbaren Krankheiten – egal ob in großen oder kleinen Ställen, in der Bio-Tierhaltung teilweise genauso wie in konventionellen Betrieben. Deshalb seien gesetzliche Vorgaben für die Gesundheit von allen Nutztieren zu machen. Ziel müsse es sein, dass nur noch Lebensmittel von nachweislich gesunden Tieren in den Handel kommen. Da sei die Bundesregieurng gefordert, dafür die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen.

Zu hoher Antibiotika-Einsatz

Der Einsatz von Antibiotika bei Tieren ist hingegen zurzeit zwar kaum ein Thema. Doch hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Häufung von Resistenzen gegen Antibiothika "als eine der wichtigsten Zukunftsfragen ausgemacht". Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) hat den Einsatz von Antibiotika in sämtlichen EU-Ländern untersucht. Demnach wurde in Schweden der niedrigste Einsatz von Antibiotika festgestellt. 2014 wurden in Schweden Antibiotika für nur 12 Milligramm pro Kliogramm Lebendgewicht verkauft, während er im EU-Durchschnitt bei 152 Milligramm pro Kilogramm liegt. Es bleibt also noch sehr viel zu tun, um eine gesündere Fleichproduktion und mehr Tierwohl zu erreichen.

Volker Voss

Weitere Infos:

www.initiative-tierwohl.de

www.foodwatch.org.de

www.jordbruksverket.se (auch englische Version)