Ein Blick in den Garderobenschrank

Fairtradebekleidung oder Billigkram?

Der Reihe nach kommen die Models schnellen Schrittes, mit eleganten Bewegungen auf die Bühne und präsentieren modische Kreationen. Es sind wahrlich schicke, modische Kleidungsstücke, die dort auf der Messe während einer Veranstaltungsreihe des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit für Fairtrade Produkte präsentiert werden. Sie unterscheiden sich aber auf den ersten Blick überhaupt nicht von herkömmlichen Kleidungsstücken. Doch tatsächlich unterscheiden sie sich erheblich von einander: Die Materialien werden aus naturbelassenen Stoffen gefertigt, also ohne den Einsatz von Gentechnik, Pestiziden oder Chemie. Beispielsweise sind die vorgeführten Schuhe aus Rabarba- und Lachsleder umweltschonend hergestellt. Auch die soziale Komponennte spielt eine wichtige Rolle. So ist bei den Fairtradeprodukten sichergestellt, dass in den Herstellerländern Löhne gezahlt werden, die ein menschenwürdiges Leben garantieren.

"Faire Kleidung wird eher noch belächelt und es gibt viele Vorurteile", sagte Bundesentwicklungsminister Dr. Gerd Müller auf der Veranstaltung. Faire Kleidung sei bislang auch kaum ein Thema auf Modeschauen. "Dabei kann faire Kleidung richtig cool und sexy sein und sogar gut aussehen", findet Topmodel Barbara Meier, die eigens zu der Veranstaltung angereist ist. Auch kann man nicht einfach ins Geschäft gehen und faire Kleidung kaufen. Dazu muss man erst im Internet recherchieren, wo derartige Kleidung überhaupt erhältlich ist, erläutert Topmodel Meier die Problematik.

 

Im Vergleich zu herkömmlicher Kleidungsproduktion

In Bangladesch beispielsweise würden die Kleidungsstücke für fünf Euro von ausländischen Händlern eingekauft und gehen hier nicht selten für 100 Euro das Stück über den Ladentisch, während die Näherinnen vor Ort gerade mal 15 Cent die Stunde verdienen – ein Lohn, von dem eine Näherin wohl kaum leben kann, so der Bundesminister. Das ist durchaus ein Extrembeispiel, es geht auch billiger als für 100 Euro für ein Kleidungsstück. Denn macht Otto-Normalverbraucher eine Shoppingtour durch die Geschäftsstraßen hiesiger Großstädte, finden sich hier und da auch die Läden, wo einem die Klamotten, im wahrsten Sinne des Wortes, für 'nen Appel und 'nen Ei hinterher geschmissen werden – nach dem Motto: "Billig, billig, billig!" Warum das so ist, weiß Minister Müller auch: "Viele Unternehmen arbeiten daran, die Mindeststandards so niedrig wie möglich zu halten. Es steckt ein enomer Druck der Lobbygruppen dahinter." Es werde allerdings mit den Regierungen vor Ort verhandelt, bestimmte Mindeststandards, also menschenwürdige Mindestlöhne, verbindlich festzulegen. "Es existiert bereits ein solches Gesetz in Brüssel, doch die Lobby ist zu stark, um es umzusetzen", so der Minister. Doch seien bereits etwa 50 Prozent der großen Bekleidungsketten bereit, Mindeststandards einzuhalten.

 

Kaufen bis der Schrank voll ist

Doch wie sind die hiesigen Kaufgewohnheiten eigentlich? Die Deutschen haben im Durchschnitt 50 Kilo Kleidungsstücke im Schrank und 60 neue Kleidungsstücke kauft sich der Bundesbürger jedes Jahr neu, rechnete Bundesentwicklungsminister Gerd Müller vor. Aber er überraschte noch weiter: 40 Prozent davon würden nie oder nur selten getragen. Bedenkt man dann noch, unter welchen Bedingungen die meisten Kleidungsstücke produziert werden, stellt sich die Frage, wie fair und nachhaltig ist mein Kleiderschrank überhaupt?

Um diese alternative Veranstaltung auch kulinarisch abzurunden, führten Bundesminister Müller und Topmodel Meier vor, was für Millionen Menschen in anderen Ländern Nahrungsgrundlage ist:

gegrillte Heuschrecken.

Volker Voss